558 Kilometer an einem Tag - an einem Stück mit dem Fahrrad

Der Langenfelder Bernhard Weik mag die aktive Herausforderung im Einklang mit der Natur (28/29. 6.1997)

Natur gleitet langsam vorbei

Von Trondheim nach Oslo (Dieter Clarius RP)

Diesmal war es das Rennrad, mit dem er in Norwegen auf die Strecke ging. „Den store Styrkproven“ (zu Deutsch: Die große Kraftprobe) betitelte der Veranstalter das Rennen von Trondheim nach Oslo. 558 Kilometer, und Bernhard Weik war mittendrinn. Weik meinte: „Dieses Rennen ist eines der ungewöhnlichsten der Welt. Trondheim – Oslo in einem Stück und an einem Tag. 3300 Gleichgesinnte hatten am Start allesamt die Hoffnung, dass die Kraft, die Moral und die äußeren Bedingungen – die Strecke in einem Stück zu bewältigen – ausreichten.“ Der Langenfelder erinnert sich, dass strahlender Sonnenschein in Trondheim die meisten Teilnehmer zu einem hohen zu hohen Fahrtempo veranlasst hatte. Die drei Freunde, Dr. Karl Schöning, Dr. Jürgen Schöning aus Kiel und Bernhard Weik ließen sich „anstecken“ und fuhren in der ersten Stunde bereits 28 Kilometer weit. Offenbar ein taktischer Fehler. Weik begründete: „Aber danach kamen ja noch 530 Kilometer. Die Kräfte mussten also besser eingeteilt werden, denn fünf Stunden später bekam Jürgen einen Krampf im Oberschenkel, der fast das Aus bedeutet hätte.“ Nach 60 Kilometern hatte der Langenfelder bereits die erste Reifenpanne. In zwölf Minuten wurde der Schlauch gewechselt. Der „Ritt“ auf das Gebirge zu konnte fortgesetzt werden. Nun ging es hoch zum Dovre Paß auf 1026 Metern Höhe. Weik, der Unermüdliche, meinte zu den Strapazen: „Die Mühe, der Schweiß und die Qual wurden durch die herrliche norwegische Landschaft etwas ausgeglichen. Man hat vom Fahrrad aus Muße, etwas Besonderes zu erleben. Die Natur gleitet langsam vorbei.“ Nach neuneinhalb Stunden war die schwierigste Etappe erreicht. Warme Gemüsebrühe, Brot und Bananen gab es zu essen, Mineraldrinks, Wasser oder Tee füllten das Flüssigkeitsdepot. Weik: „Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich schon fünf Liter Flüssigkeit zu mir genommen. Regelmäßiges Trinken ist der Grundpfeiler des Erfolgs und bei dem Schweißverlust lebensnotwendig.“ Auch essen müsse man, denn bei dieser Fahrt würden 12.000 Kilokalorien verbraucht, so der Langenfelder.

Kampf gegen Wind

Bei der Weiterfahrt mussten die Radler auf der 40 Kilometer langen Hochebene mit einem aufkommenden Gegenwind kämpfen. Aber dann ging es bergab ins Gudbranddal. Weik: „Die Begeisterung der norwegischen Bevölkerung für diese große Kraftprobe ist bekannt. Längs der Straßen, in den Vorgärten, überall standen sie und feuerten uns an. Teils wurde auch Verpflegung von Privatpersonen gereicht. Wir waren nun schon zwölf Stunden unterwegs und hatten noch nicht die Hälfte der Strecke. Der Himmel verdunkelte sich stark, dadurch war die sonst sprichwörtliche Mitternachtssonne bedeckt. Ganz Nacht wurde es trotzdem nie.“ Um 24 Uhr setzte der Regen ein. Trotz der Regenkleidung war der Langenfelder total durchnässt. Bernhard Weik: „Es war eine eigenartige Stimmung. Die Berge in tiefliegenden Wolken, im Dämmerlicht eine Gruppe strampelnder Individuen. Nur vorwärts – nur noch 280 Kilometer.

„Das wichtigste ist die mentale Vorbereitung auf diese mörderische Strecke“, erläutert der Langenfelder Extremsportler Bernhard Weik und fügt hinzu: „Der Kopf muss über 550 Kilometer programmiert sein, erst dann vermögen die Beine die Kraft aufzubringen oder der Po die Schmerzen zu ertragen, die der Sattel bereitet.“ Um zwei Uhr nachts traf man auf die ersten Ausfälle. „Irgendetwas stimmte nicht, entweder falsch vorbereitet, zu wenig getrunken, zu schnell die Strecke angegangen oder nicht die richtige Einstellung für eine so lange Strecke. Diese Männer hatten den Glauben an sich selber verloren. Aber der ´Besenwagen´ hat alle eingesammelt und nach Oslo gebracht.“

Müsli mit Wasser

Am Rastplatz Ringebu konnte eine aus dem Jahre 1250 stammende Stabkirche besichtigt werden, doch die Versorgung hatte Vorrang. Es gab Müsli mit warmen Wasser angerührt. Weik: „Nicht sehr verlockend, aber Kalorien.“ Nach der Weiterfahrt kam Lillehammer in Sicht. Der Langenfelder meinte: „Nun bewährte sich die gründliche Vorbereitung. Ich hatte vorgesorgt und konnte mir total trockene Kleider und Schuhe anziehen.“ Zudem erläuterte der unermüdliche Sportler: „Viele Fahrer hatten ein Begleitfahrzeug dabei, und die Fahrer bekamen fast jeden Wunsch von ihren Begleitern erfüllt. Ihre Fahrräder mussten kein Gepäck tragen, Auf meinem schleppte ich sechs Kilo zusätzlich mit, dafür war meine Tour etwas natürlicher und sportlicher.“ Um 7 Uhr morgens hieß es „Endspurt“. Nur noch 180 Kilometer lagen vor dem Langenfelder. Weik erklärte zu dieser Etappe: „Die beiden Worte ´nur noch´ setzten bei mir ungeheure Kräfte frei. Aber nun kamen sie wieder, die Berge.“

Die Angst verloren

Der Langenfelder hatte noch genügend Reserven, die er sich in sechs Wochen und auf 2418 Kilometern antrainiert hatte. Der Senior-Sportler: „Bei einer Tagesalleinfahrt von 270 Kilometern habe ich die Angst vor einer solchen Strecke verloren. Deshalb war ich jetzt in der Lage, die letzten 180 Kilometer über endlose Berge, gegen den Wind in erster Position zu fahren. Dadurch erreichte unsere Gruppe gemeinsam, das Ziel. Die Kameradschaft ist wichtiger als eine schnelle Einzelzeit.“ Der Langenfelder und seine zwei Kieler Freunde erreichten schließlich nach 31,5 Stunden – die reine Fahrzeit betrug 24:45 Stunden – das Ziel im Vale Hovin-Stadion in Oslo. Der erschöpfte Weik meinte resümierend zu dieser Veranstaltung: „Jeder der dieses phantastische Abenteuer bestanden hat, ist an seine Grenze gekommen und wurde Sieger über sich selbst.“ Bernhard Weik, der übrigens am 1. August seinen 60. Geburtstag feiert, hat auch für die Zukunft noch viele Pläne. Mit Sicherheit gehört dazu neben dem Radfahren auch wieder der Eislanglauf.