Allen zum Gruß

Rückblick der Lehrerin

Nach der Stunde Null! Am 1. Oktober 1945. War der Wiederbeginn der Schule nach dem totalen Zusammenbruch, in Mai 1945, festgesetzt. An diesem 1. Oktober1945 fuhr ich frühmorgens mit dem Fahrrad über regennasse, aufgeweichte Strassen die 14 km von Ellwangen nach Lippach; dort sollte dem Rehbein, seine Suspendierung überbracht werden, und ich hatte die Schule nach der Stunde Null wieder zu eröffnen. Im Dorf angekommen , traf ich auf eine lärmende Schülermenge vor der verschlossenen Schuhaustür. Man wies nich an, den Schlüssel beim Bürgermeister zu holen das Rathaus war im gleichen Haus mit dem Eingang um die Ecke. Ich erhielt den Schüsselmit ein paar freundlichen Worten, schloss auf, die Schüler polterten an ihre Plätze, ich grüsste sie. ein lautstarker Grüss kam zurück, wir beteten, und begann dann sofort mit ,,Kopfrechnen „-erst in der 2. Stunde stellte ich mich vor vor und verlas die Namen  der Kinder. Das war die erste   Stunde der schule in Lippach nach dem 2. Weltkrieg, und ich war hier eine Frau der erste n Stunde, allein vor alle Probleme gestellt, eine zwanzigjährige Studentin! Am Vormittag unterrichtete ich die Schuljahre der Oberklasse, - um 11 uhr löste mich Herr Pfarrer Boy zur Religionsstunde ab . Am Nachmittag kammen die Kleinen der Unterklasse. Zusammen waren es 128 Kinder! Ich fragte die Kleinen zu Beginn, ob sie sich wieder auf die Schule gefreut hätten.,, Ja“ schrien sie. Ob sie nicht Angst vor der Schule hätten. ..Noi „ brüllte es zurück und einer fügte laut hinzu ..Vor die net !“ Bürgermeister Mayhöfer und Gemeidepfleger Zwieckel waren dann in der Ratsstube so selbstverständig freundlich zu mir, als ob ich schon lange zu ihnen gehörte. In ihrer aufrichtigen Art gestanden sie mir bedenklich , das ich es schwer haben werde: Die Kinder waren noch im Winter 1944 – 45 zu Schule gegangen. Aber diese Monate standen ganz unter den Ereignissen der letzten Kriegszeit : Fliegeralarm, Tieffliegerbeschuss ,( der Vater einer Geschwisterschar , Anton Josef Schneider wurde bei der Feldarbeit am 11. April 1945. Beschossen und getötet , nachdem er noch seine kleinen Kinder retten konnte , die er unter das Gefährt gesetzt hatte ) , Kohlenferien und Belegung der Schulräumer durch die SS ( dies führte zu blutigen Kämpfen bei der Einnahme durch  die amerikanischen Truppe : 36 junge Soldaten fielen ihnen zum Opfer , - 12 Gehöfte gingen in Flammen auf und 80 Stück Vieh sind mitverbrannt .) Der Bestand an Schibüchern aus der NS-_Zeit war von amerikanischen Autos abtransportiert worden . Die Schule besaß nur eine kleine Anzahl von Fibeln der Notausgabe , die von der amerikanischen Militärregierung lizensiert war, drei bis vier Kinder bekamen zusammen ein Buch. Ich entdecke aber auch in höheren  Schuljahren Kinder , die noch nicht lesen konnten. Auch mit ihnen musste ich Lesegruppen bilden  .So konnte ich die Notfibeln den Kindern nicht mit nachhause geben, sondern musste sie in der Schule behalten für die Leseabteilungen der anderen Klassen. Was ich als Leseübung zuhause aufgab , mussten die Schüler erst auf die Tafel schreiben. Die Kleinen konnten auch das noch nicht . Ich schrieb es ihnen selbst auf die Tafel und auf graues Kriegspapier  zu nächtlicher Stunde !Aber was hatten sie für Schreibwerkzeug ! Wer eine rechte Schiefertafel besass, war reich. Manche hatten nur blinde Scherben in Holzrahmen oder auch nur einen Schiefersplitter .Einige krizelten mit Stricknadel und Nägel auf das Tafelstück .Einzelne hatten Fetzen von Einwickelpapier , auf sie mit Bleistifstummeln schmierten. Das Herz tat mir weh beim Austeilen der weniger Tafeln , Hefte, Griffel und Bleistifte , die wir für die Schule bekommen hatten. 

Davon laufen ? – Durchhalten? Und wenn ich nicht schon mit meinen 20 Lebensjahren durch manche harte Lehre gegangen währe , wie Landeinsatz , Arbeitsdienst , Kriegshilfsdienst in einer Munitionsfabrik, studentischer Rüstungseinsatz   in einem metallographischen Labor , Leben in meiner bombenzerstörten Heimatstadt Ulm und Dienst im Lazarett und dabei nicht gelernt hätte , in Geduld auszuharren, so wäre ich auf und davongelaufen. >Da half nun nicht , ich musste mich des Vertrauens würdig erweisen, das mir die Gemeindehäupter   80jährige Pfarrer sagten mit ihre Unterstützung zu .Die Leute in Dorf begegneten mir mit aufrichtiger Hochachtung .Ich war jedesmal innerlich beschämt, wenn ältere Männer vor mir ihren Hut abnahmen und  mich mit ,, Fräulein Lehrer „ anredeten. Ich nahm mir vor , durch Fleiß und Pflichttreue zu ersetzen , was mir an praktischem Können fehlte. Wenn ich morgens wiedervor den Schülern stand, vergaß ich meine Angst und meine Zweifel. Ich war ganz für die Schlüler da , war sicher und voll Mut. So unterrichtete ich   von 8-12 Uhr die Oberklasse , von 13-17 Uhr die Unterklasse nach reichlicher Mittagsessen bei der guten Kreuzwirtin , Frau Frankenreiter, die mir Kost und Quartier gab. Zweimal in der Woche wurde ich von Herrn Pfarer , der die Religionsstunden hielt, abgelöst und am Freitag nachmittag , und Samstag von der Schneiderin Fräulein Christ , die den Mädchen Handarbeitsunterricht erteilte . Ich wußte von keiner Stundeverpflichtung; es war kein Schulleiter da, mich einzuweisen. Die Schreiben des Bezirksschulamtes an den Schulleiter mit der Bestimmung , den Hilfskräften zu Seite zu stehen , nahm ich – sozusagen -in Personalunion entgegen. Ich   gab die stunden freigebig und großzügig, weil ,ich mich für meine Schulkinder verantwortlich fühlte. Ich besitze noch Stundenpläne, in denen die dann amtlich festgelegten 32 Vollstunden verzeichnet sind, ohne die mindestens 4 Fortbildungsstunden dazuzählen, zu denen wir am Samstag verpflichtet waren. Und mit bescheidener Stimme hinzugefügt : Wir verdienten damals 125 RM! 

Licht und Schatten im Schulalltag Für kurze Zeit unterrichtete  Herr Rehbein wieder – ihm verdanke ich manche  hilfreiche  Hinweise ,-Ende 1946 konnte der aus Mähren vertrieben Lehrer Rudolf Mahr die Oberklasse übernehmen , aber die Unterklassen hatten immer noch 88 Schüler bei getrennten Abteilungen , schon der 62 Sitzplätze wegen : Knaben 52- Mädchen 36= 88 Kinder +Manch frohes Ereignis wollte ich den Kindern bereiten : Mit Frau Rehbein bettelten wir Naturalien und backten damit Brötchen für den Nikolaus-Besuch und luden die Schüler mit ihren kleinen Geschwister dazu ein :Herr Utz stellte einen würdigen Nikolaus -Bischof dar. Zum Advent  holten wir in Wald Tanneieisig und banden Kränze und bauten eine Krippe .Wir spielten auch eine Krippenspiel  mit der ganzen Schule , das dem Dorf eine schöne Weinachtstunde schenkte. Die Hirtenbuben brachten ein lebendiges Lämmlein mit und löffelten dann am Hirtenfeuer eine brodelnde Kuttelsuppe aus dem Topf.( im Jahr zuvor stellte ich mit der Mädchen -Jugendgruppe schon ein Christgeburtsspiel dar )  Noch waren viele Väter in Kriegsgefangenschaft ; in vielen Häusern waren noch Mütter und Kinder einquartiert , Evakuierte aus gefährdeten Städten wie Essen, und dann kamen Woche um  Woche die vielen Heimatvertriebenen aus Ungarn , aus Bähmen und Mähren : Not und Leid der Weltgeschichte in einem kleinem Dorf! Es gab auch manche bittere Enttäuschung mit den Kinder . Unruhe , Vergesslichkeit ,und Ausgelassenheit, machen zunichte, was ich in froher Bereitschaft gestalten wollte. Die Kinder fürchteten mich nicht. Ich war froh mit ihnen, lachte und spielte mit ihnen . Oft musste ich mich zwingen , die schlampige n Hausaufgaben ernst zu nehmen und zu tadeln , wie ich es musste und gute zu loben , wie ich es sollte. Wenn dann meine Kraft und Geduld aufgebraucht war , so wusste ich nicht mehr weiter mit der lärmenden Schar. Die Leute sagten es mir, daß ich strenger sein müsste , die Kinder spürbar bestrafen – mit ,, Tatzenstock „. Ich befolge es – und gestehe es- auch manchmal unangemessen ! Aber am neuen Tag begann ich mit neuen Mut.